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...und weiter geht die Reise


treffen mit einem verwandten

Meine Route beim zweiten Mal in Guinea befindet sich viele Hundert Kilometer von meiner ersten Route entfernt in einer abgelegenen Provinz namens Waldguinea. Der Name ist Programm. In jener Provinz ist noch am meisten des urspruneglich ganz Guinea bedeckenden Waldes vorhanden und es regnet deutlich mehr als im Fouta Djalon oder in Haute Guinee. Mein Ziel ist der abgelegene Weiler Bossou an der liberianischen Grenze, wo im nahen Urwald noch einige Schimpanzen in ihrer natuerlichen Umgebung leben. Angeblich einzigartig in Africa und das hat seinen Preis. Ich muss eine halbe Millionen auf den Tisch blaettern, um mit einem Fuehrer in den Wald zu duerfen. Und natuerlich stellt die Natur keinen Garantieschein aus. Wenn ich Pech hatte, wuerde es ein teurer Spaziergang werden, denn 500.000 Franc Guinee entsprechen immerhin 50 Euro. Nachdem ich bezahlt hatte, wies mich der Chef in die oertlichen Lokalitaeten ein, denn der Spaziergang sollte erst am naechsten Morgen stattfinden. Es war gerade Markttag und so herrschte grosser Trubel im Ort. Einige Marktstaende querend fuehrte mich der Mann zu einem niedrigen Anbau an eine kleine Lehmhuette. Das sei das beste "Restaurant" im Ort. Dass es weder ein Schild hatte noch einen Namen trug, war nicht mehr als das uebliche Qualitaetssiegel. In gebueckter Haltung betraten wir den geduckten und schummrigen Raum, in dem linker Hand einige niedrige Holzbaenke und Holztische an den Rand gedraengt waren, waehrend der Rest in diesem winzigen, russgeschwaerzten, stickigen und rauchigen Refugium voluminoese Dimensionen hatte. Eine Dame in wallenden Kleidern, der linke entbloeste Brust mir ins Auge fiel - vielleicht hatte sie gerade den Nachwuchs gestilltoder gedachte, dies zu tun, oder sie war einfach so frei - thronte auf einem niederen Holzschemel umgeben von riesigen Toepfen, die auf Holzkohlefeuern koechelten. Der Reistopf, der groesste in Westafrica, hatte einen Durchmesser von einem Meter und war einen halben Meter tief. Die drei Sossentoepfe in der passenden Groesse signalisierten mir, dass die Dame immerhin drei Gerichte im Angebot hatte, was 200 Prozent mehr Auswahl bedeutet als in einem regulaerem guineeischen Restaurant. Als naechstes brachte mich der Mann in die Dorfkneipe, einem ordentlich verputztem Haus, das innen OP-gruen gestrichen war und dessen Waende Fussballposter der ueblichen Clubs zierten. Die Dorfjugend sass am spaeten Vormittag beisammen und widmete sich dem Palmwein. Dieser hat die besondere Eigenschaft, dass er fortlaufend weiterfermentiert. So stiegt mit vorrueckender Stunde nicht nur der Alkoholgehalt im Blut des Konsumenten sondern auch jener des Palmweins, was einen exponentiellen Rausch verspricht. Ich belies es am spaeten Morgen beim Probieren des fruchtig jungen Weins.

Am folgenden Morgen hatte ich das Glueck und bekam eine Gruppe von fuenf, der nur noch dreizehn im Wald lebenden Schimpansen zu Gesicht. Diese sind an Menschen gewoehnt und so stieg, nachdem erst einmal alle in die Baumwipfel gefluechtet waren, Papa Schimpanse hinab und legte sich nur vier Meter von mir entfernt auf den Waldboden. Die anderen der Gruppe folgten sukzessive. uesse bekommen haben.

Morgennebel in Waldguinea

Papa Schimpanse macht eine Siesta...

...waehrend Junior Schimpanse im Wald randaliert

29.04.2013


ein langer tag wird nicht zur nacht

Es stand mal wieder eine Grenzquerung nach Guinea bevor und auch dieses Mal wurde es eine anstrengende Angelegenheit mit Parallelen zur ersten Grenzquerung dorthin. Gemaess meiner Karte handelte es sich um eine nicht asphaltierte Hauptstrasse, doch ich hatte Informationen, dass die Piste extrem schlecht sein und dass Autos eine andere nicht in meiner Karte verzeichnete Route waehlen. Zu meiner Ueberaschung war die Piste bis zum ivorischen Zoll eine der besten, die ich je befahren habe. Die letzten sieben Kilometer vom Zoll zum eigentlichen Grenzposten waren ein Vorgeschmack auf guineische Verhaeltnisse mit steilen Anstiegen, holprigen Abfahrten und gewaltigen Wasserloechern in den Senken. Auf einer der Abfahrten sah ich eine tiefe Querrinne zu spaet. Das Hinterrad blockierte sofort beim Bremsen, doch ich schlidderte ueber die Steine, ohne dass ich langsamer wurde, und machte einen veritablen Sprung mit dem Rad, bei dem es trotz Drahtsicherung die linke Fahrradtasche wegfetzte. Oh la la. Am Grenzposten wurde man von meinem Kommen ueberrascht. Nichtafricaner schienen schon lange nicht mehr diesen Grenzuebergang genutzt zu haben. Etwas hilflos blaetterte der Beamte in meinem Pass, eventuell ueberforderten ihn die zahllosen Stempel und Visa darin. Weder kontrollierte er meinen Einreisestempel, dem ja das Datum fehlte, noch das erforderliche Visum. Stattdessen setzte er den Ausreisestempel gemaess meiner Weisung in den Pass. Ihm schien jedoch zu daemmern, dass meine Grenzquerung eine gewisse Wichtigkeit hatte, so dass er sich eine Aktennotiz machte. Er notierte meinen Namen, meine Nationalitaet und meinen Beruf (Bademeister), vergass aber die Nummer meines Passes. Die Beamten auf guineischer Seite waren aehnlich orientierungslos. Ein Ununiformierter fand nur das Visum meiner ersten Einreise, dass laengst ungueltig war und welches er vielleicht deshalb nicht genauer studierte. Wiedrum waehlte ich dann eine Stelle in meinem Pass fuer den Stempel aus, doch es wurde nur der Hauch von einem Stempel, da das Stempelkissen ausgetrocknet war. Der Mann betrachtete eine Weile den absolut unlesbaren Abdruck, dann setzte er dort das Datum und seine Unterschrift hinein. Waehrenddessen forderte ein Uniformierter mehrfach mein carnet de passage, ein Dokument, das man fuer ein Fahrzeug braucht.

Direkt hinter der Grenze gelangte ich an einen kleinen Fluss, wo die Bruecke eingestuerzt oder gerade im Bau war. Ich hatte die Wahl, doch beides brachte mich nicht ans andere Ufer. Links davon befand sich eine Furt, die Fahrzeuge nutzten, um den Fluss zu queren. Ich studierte die Stelle eingehend. Die Stroemung war gering, das Wasser klar und nicht sehr tief und der grund auf den ersten Blick steinig. Die linke Seite der Furt schien am besten geeignet fuer eine Querung mit dem Rad. Doch der Grund war sandiger als angenommen und ich versank immer tiefer in den Fluten. Als die Fahrradtaschen ins Wasser tauchten, stoppte ich, nun bis zu den Knieen im Wasser stehend. Kommando zurueck. Die rechte Seite erwies sich als besser geeignet, auch wenn ich dort genauso nasse Fuesse bekam. In einem kleinen Bambuswald, in den kaum Sonnenlicht fiel, reihten sich lange Pfuetzen aneinander. Die Strecke war selbst mit Motorraedern nicht mehr zu befahren. An einer zehn Meter langen Pfuetze balancierte ich auf einem schmalen holprigen Sims entlang, wobei ich das Rad schieben musste. Jeden Moment drohte ich nach vorne in die schlammige Pfuetze zu kippen oder nach hinten in die wild wuchernde Botanik. Da tauchte ein Buschtaxi auf, ein stinknormaler Citroen jedoch hinten voruebergehend tiefer gelegt, da er hoffnungslos ueberladen war. Wie sollte das gehen? Der Fahrer blickte kurz zum Seitenfenster heraus und fuhr ohne zu stoppen am rechten Ufer in die Pfuetze hinein, wo er sich langsam und schliddernd vorwaerts tastete. Die hinteren Tueren versanken 20 Zentimeter tief in der Pfuetze, doch der Chauffeur schaffte es hindurch. Er grinste zum Seitenfenster hinaus und machte den Surfergruss. Alles locker. Doch die Passagiere im Fond duerften nasse Fuesse bekommen haben.

Flussquerung

Bambusdschungeltunnel

Mont Nimba an der Grenze von Cote d'Ivoire und Guinea

09.04.2013


cote d'ivoire / ghana


burkina faso / mali


goldrausch

Auch noerdlich von Siguiri ist die Strasse vorbildlich asphaltiert. Ein Bergbauingenieur hatte mir schon in Dabola prophezeit, dass von Kouroussa bis an die Grenze nach Mali (immerhin knapp 200 Kilometer) nicht ein einziges Schlagloch existiere. Und er sollte Recht behalten. Stattdessem kaempfte ich mit heftigem Gegenwind und ueberraschend starkem Verkehr. Letzteres erschien mr anfangs ein Raetsel, denn noerdlich von Siguiri kommt in Guinea kein groesserer Ort mehr sonder nur noch Savanne. Doch Horden knatternder Motorraeder, die alle auf dem Sozius eine rustikale braune Golftasche geladen hatten, ueberholten mich. In Haute Guinee ist nicht etwa ein Golf-Boom ausgebrochen sondern der Goldrausch. So enthalten die Golftaschen Hacke und Spaten, mit denen ueberall die Erde durchwuehlt wird. Angeblich enthaelt selbst der Staub rechts und links der Strasser tonnenweise Gold. Vorsichtshalber habe ich am Abend auf eine Dusche verzichtet, um meine Blattgoldauflage nicht zu gefaehrden.

Statt der Grenze erwartete mich ein grosser Marktplatz; die Grenzposten waren irgendwo dazwischen versteckt. Ab und zu spannte eine Leine ueber die Strasse, was die herumkreisenden Motorraeder nicht stoerte. Die Grenzformalitaeten gingen reibungslos vonstatten, doch 80 Kilometer hinter der Grenze wurde ich an einem Polizeiposten gestoppt. Der Zoll kontrollierte Fahrzeuge und ein uebereifriger Beamte durchwuehlte meine vier Fahrradtaschen und die Lenkertasche, wobei ich eher Neugierde denn Pflichtbewusstsein vermute. In der Gegend von Siby in Mali erstreckt sich das Mandingues-Gebirge, das zwar nur bis 500 Meter hoch ist, dafuer aber um so grandiosere Felsformationen zu bieten hat.

Ist das wirklich Mali oder bin ich doch in den USA unterwegs?

Felsformation in den Mandingues-Bergen

Natuerliche in den Mandingues-Bergen

20.01.2013


Africa-Cup vom 19.01. - 10.02. 2013 in Südafrica

Zuschauen. Mitfiebern. Abfeiern.


marktag

Von Kankan aus wage ich mich an eine Koenigsetappe. Nach meiner Karte sind es 133 Kilometer bis Sigiuri, doch das Terrain verspricht sehr flach zu sein, die Strasse ist tadellos asphaltiert und verlaeuft teilweise am Niger entlang. Um 6:40 sitze ich bei kuehlen 12 Grad im Sattel und als ich den Grossraum Kankan verlassen habe, sinkt das Thermometer am Fahrrad auf 7 Grad, obwohl mir mein lonely-planet-Reisefuehrer versprochen hatte, dass es nicht mehr kalt wird. Da hilft nur kraeftig Strampeln. Die ersten 90 Kilometer rolle ich locker in weniger alsfuenf Stunden dahin, doch kurz bevor ich den Niger erreiche, verschwindet die Strasse, immerhin der internationale Highway nach Bamako, der Hauptstadt Malis, auf einmal. Ich bin in einem Pulk von Menschen und muss vom Rad steigen. Was ist passiert? Nichts. In einem kleinen Dorf an der Strasse ist Markttag und dieser vereinamt die komplette Hauptstrasse. Wuetend hupende Motorraeder stecken genauso fest wie ich. Ein ratloser Autofahrer hat schon aufgegeben und parkt mitten in der Menschenmenge oder mitten auf der Strasse je nach Sichtweise. Nur langsam kaempfe ich mich ueber den Marktplatz. Danach erreiche ich den Niger. Eine lange Bruecke quer diesen riesigen Fluss. Der zuvor schon stramme Wind fegt fast in Sturmstaerke ueber die Bruecke, so dass ich vorsichtshalber meinen Tropenhelm abnehme. Danach aendert die Strasse ihre Richtung und fuer die letzten 40 Kilometer habe ich teils strammen Gegenwind und dazu herrscht ein Verkehr wie ich ihn in Africa noch nicht erlebt habe. Viele Lkws und pausenlos knattern Motorraeder vorbei. Kein Vergnuegen mit bereits 90 Kilometern in den Beinen. Ziemlich geplaettet erreiche ich das weitlaeufige Siguiri.

Blick ueber den Niger in der Trockenzeit

14.01.2013


kahlschlag

In Kankan, die mit Abstand groesste Stadt Guineas, die ich auf meinem Weg durchs Land ansteuere, lande ich bei der Biertrinkerunion (offiziell Centre d'Accueil Diocesain). Direkt nachdem ich die heiligen Mauern passiert habe, kommt mir der erste Mann mit einer Bierflasche entgegen, und das kurz nach Mittag. Noch nie habe ich irgendjemand auf meiner Reise ausserhalb eines Restaurants mit einem Bier gesehen. Nachdem ich einen schmalen Gang zwischen einer hohen Mauer und einem Gebaeude passiert habe und nach links abgebogen bin, stehe ich in einem Innenhof, dessen Szenerie Bierflaschen praegen, waehrend sich leere Bierdosen allerorten stapeln. Hosiana! Ein perfekter Biergarten, auch wenn der mittig spriessende Baum keine Kastanie ist. Im hinteren rechten Eck befindet sich die Rezeption der Herberge und auch dort mangelt es nicht an Bier. Bemerkenswert ist die ausgekluegelte Architektur der Anlage. Von drei Seiten umschliesst das Gebaeude den Innenhof, waehrend an der vierten Seite ein nicht all zu breiter Durchgang verbleibt. Dieser ist durch eine hohe Mauer und riesige Mangobaeume abgeschirmt, die jeden Einblick verwehren. Der mittig im Innenhof gepflanzte Baum bietet Schutz nach oben, so dass Allah nicht zuschauen kann. Entsprechend beliebt ist der Ort bei bierliebenden Moslems. Verraeterische Schilder oder Wegweiser existieren nicht, so dass Allah keine Chance hat, diesen Ort jemals zu entdecken, waehrend Gott beide Augen zudrueckt.

Ich habe dringend einen Haarschnitt vonnoeten, so dass es sich gut trifft, dass direkt gegenueber meiner Unterkunft ein Friseursalon seine Dienste anbietet. Das im Laden haengende FC Barcelona Poster ist mehr als ein Qualitaetssiegel, es muss sich um ein Fachgeschaeft mit exzellenten Friseuren handeln. Nachdem ich den Preis erfragt und falsch verstanden habe (statt 7000 GF kostet ein Schnitt nur 5000 GF, was etwa 50 Cent entspricht), bekomme ich einen Umhang und um den Hals ein Tuch umgelegt. So weit, so gut. Doch nun verlaesst der Mann bekanntes Terrain und nimmt eine holprige Offroad- Strecke. Statt sich nach meinen Frisurwuenschen zu erkundigen, legt er einfach los. Ich haette es besser wissen muessen. So wie die selten vorhandenen Restaurants - gibt es nur in Verbindung mit einem besseren Hotel - immer genau ein Gericht (Huehnchen mit Pommes) im Angbeot haben; so hat der Friseur selbstverstaendlich nur einen Haarschnitt im Repertoir. Ich haette nur mal die Augen aufmachen muessen, wenn ich so durch die Strassen laufe. Mit einer klassischen Papierschere schlaegt er wild Schneisen in meinen Dschungel. Nicht einmal meine Neffen duerften im Kindergarten in der Bastelstunde so unkontrolliert zu Werke gehen. Es wird radikal gekuerzt, so dass ich vorsichtig darauf hinweise, die Haare oben etwas laenger zu lassen. Wie sich herausstellen wird, erfolgt der Schnitt in drei Phasen. Mit der Schere wird nur die grobe Vorarbeit verrichtet, danach packt der Friseur eine originalverpackte klassische Rasierklinge aus und zusammen mit einem Kamm wird das bereits sehr kurze Haar weiter gestutzt. Fuer die letzte Phase erhalte ich eine neue originalverpackte Klinge, mit der der Mann nun Freihand zu Werke geht. Ich sehe mich schon im Friseursalon verblutend am Boden liegen und wage es weder den Kopf zu bewegen noch einen Mucks zu sagen, was der Mann dazu nutzt, meinen Haaransatz an der Stirn um einen Zentimeter nach hinten zu verlegen. Ausserdem bekomme ich ekstatische Zacken in die Schlaefen geeschnitzt, was jedoch kaum auffaellt bei blonden Haaren mit einem Millimeter Laenge. Als der Friseur sein Werk vollendet hat, ohne mir den kleinsten Kratzer zugefuegt zu haben, habe ich rundum am Kopf einen Millimeter Haarlaenge und oben drauf drei Millimeter. Er hat es dort laenger gelassen...

Links der Friseursalon und rechts ein metallverarbeitender Betrieb

Gruppenbild mit Friseurmeistern, Kunden, Schaulustigen und anderen Passanten

africanisches Denkmal morderner Kunst

11.01.2013


schlaglochpiste

Mit Dabola verlasse ich die letzten Auslaeufer des Fouta Djalon Gebirges, von nun an ist die Strecke vorwiegend eben. Dafuer wird die Strasse immer schlechter. In Africa, das beruechtigt ist fuer schlechte Strassen, ist Guinea beruechtigt fuer besonders schschlimme Strassen. Der folgende Abschnitt zwischen Dabola und Kouroussa hat wiederum den Ruf, die uebelste Schlaglochpiste des Landes zu sein. Man kann es sich nicht vorstellen, man muss die Schlagloecher selbst erlitten haben und man kann es auch nicht in Worte fassen. Meine Etappe wird vermutlich in Cissela enden, einem unbedeutenden Dorf in meiner Karte. Dort soll es ein Hotel geben, so hat es mir zumindest ein Mann in Dabola versichert. Mitten im nirgendwo? Ich bin skeptisch. Der Ort ist schliesslich noch kleiner als ich erwartet haette, hat aber eine Tankstelle und direkt gegenueber ein Hotel der Superklasse (fuer guineische Verhaeltnisse). Diese nimmt etwa zwei Drittel der Flaeche des Dorfes ein und bietet diverse Zimmer und Bungalows, Konferenzraeume, Speisesaele, Pavillons und eine Lounge mit Schwingtueren und Ledersofas. Ich staune. Mein grosszuegig moebliertes Zimmer mit Holzfliesen an der Decke ist picobello sauber inklusive des Bades und alles funktioniert einwandfrei. Die senkrecht angebrachten Tuerklinken kann man als Raritaet gelten lassen. Ich zahle weniger als die Haelfte von dem, was sonst so ein Zimmer kostet und bin selbstverstaendlich der einzige Gast. Ein Mann fegt taeglich die von sieben bis sieben die weitlaeufige Anlage, waehrend der sehr freundliche beninische Manager meine Frage, wie so ein tolles Hotel an diesen Ort geraten konnte, nicht wirklich beantworten kann. Dass die Eigentuemerin es aus Liebe zu dem haesslichen und mickrigen Ort gebaut hat, klingt auch fuer africanische Verhaeltnisse wenig plausibel.

Am naechsten Morgen ist es mit 12 Grad bitterkalt, so dass ich kraeftig in die Pedale trete und ordentlich Tempo mache. Nach fuenf Minuten ueberhole ich den ersten Lkw, der fuenf Minuten vor mir in Cissela losgefahren war. Fuenf Minuten spaeter folgt der naechste, der mit jenem ersten zusammen gestartet war. Der freundliche Fahrer blinkt rechts, um mir anzuzeigen, ich solle links ueberholen. Ich danke. Eine Viertelstunde spaeter ueberhole ich die naechsten zwei Lkws, die mindestens eine halbe Stunde vor mir in Cissela vorbeigefahren sein muessen, denn ich habe sie beim Fruehstueck auf der Veranda nicht gesehen. Nach einer Pause, in der Lkw #4 am Horizont wieder auftaucht, ueberhole ich Lkw #5 und #6. OK ich gebe zu, die Lkws sind alle nicht mehr als Schrittgeschwindigkeit gefahren, denn wie erwaehnt befand ich mich auf der beruechtigsten Schlaglochpiste Guineas. Auf zwei Lkws, die fahren, kommen drei Lkws, die mit einer Panne am Strassenrand liegen und gerade repariert werden.

asphaltierte Strasse "made in Guinea", auf dem Foto schwer zu erkennen

09.01.2013


vautour roti

In Dabola ist mein Hotel zum Glueck nicht im Stadtzentrum, denn dieses ist mehr Muelldeponie als Stadt. Ueberall liegt Muell herum und dort, wo keine Gebaeude im Weg stehen, haeuft er sich in Bergen. Der Muell qillt ueber und droht die Hauptstrasse zu verstopfen. Vielfach versucht man das Problem in den Griff zu bekommen, indem man den Muell anzuendet. So wabern dioxinhaltige Rauchschwaden durch die Stadt. Esel durchgrasen den Muell nach Essbarem, waehrend zahllose Aasgeier ueber der Szenerie kreisen. Im Stadtzentrum huepfen die Geier unkontrolliert zwischen Passanten, Autos und Motorraedern umher, was nicht folgenlos bleibt. Eines schoenen Morgens sass ich in einer Strassenkueche und wartete auf die Zubereitung meines Omelettes. Die Pfanne stand schon auf dem kleinen holzkohlebefeuerten landestypischen Herd, der wiederum direkt auf der Strasse stand, bereit, da huepfte ein Geier direkt in das siedende Oel. Hoppla. Noch bevor das Federvieh knusprig gebraeunt war, wurde es vom Koch vertrieben. Da war naemlich ein Problem: Geier stand nicht auf der Karte.

Durchschnittlich beladenes Buschtaxi

09.01.2013


der trend geht zur zweitfrau

Der Abzweig Richtung Osten und dabola befindet sich sechs Kilometer vor Mamou, so dass ich am Morgen zum zweiten Mal die fuerchterliche Staubpiste bewaeltigen muss. Danach ist die Strasse asphaltiert doch mit vielen Schlagloechern gespickt, die ich mit meinem Fahrrad elegant umkurve. Am spaeten Morgen taucht eine Mega-XXXL-Schlagloch vor mir auf, das mehr als einen Meter tief ist und direkt in meiner Spur liegt. Da das Loch sehr lang ist und Ein- und Ausfahrt geschmeidig erscheinen, wage ich es und durchfahre das Loch. Mit meinem Fahrrad verschwinde ich fast vollstaendig darin, doch ich tauche wieder auf. Fast wie Achterbahn fahren. Leider finde ich keine weiteren solchen Loecher. Irgendwann strande ich in Timbo, demm groessten Ort zwischen Mamou und Dabola, die fuer eine Tagesetappe zu weit entfernt sind. Dort ist gerade Markttag, es herrscht ein wunderbares buntes Treiben im Ort. Maerkte sind in Africa immer ein Hoehepunkt, doch zuerst will ich eine Bleibe finden. Ich befrage einige aeltere Maenner, die vor einem Gebaeude an der Hauptstrasse sitzen. Unterkunft gebe es keine, aber ich koenne sicherlich irgendwo uebernachten. Aber wo? Ich werde ins Gebaeude geschickt und zwar ins Buero des Chefs des lokalen Transport-Syndikats. Dieser nennt sich Marcus (sein europaeischer Name), ist sehr freundlich und spricht gut Englisch. Es ist selbstverstaendlich, dass ich bei ihm zu Hause uebernachten kann. Er bringt mich zu seinem Haus, damit ich mich dort ausruhen kann. Sehr zuvorkommend. Seine Frau und die beiden Toechter (etwa fuenf und vierzehn Jahre alt) sind genauso freundlich, sprechen jedoch kein Englisch und fast kein Franzoesisch.

Am Abend erfahre ich zufaellig ein interessantes Detail aus Marcus' Leben. Zu fuenft habe wir gerade mit viel Muehe sein Motorrad fuer die Nacht vier Treppenstufen hinauf in den Flur gehievt, da frage ich mich, wie er das mit seinen drei Frauen alleine jeden Tag bewerkstelligt und ihn: "Do you put the motorbike every night into the home?" "No, not every night." Auf meinen fragenden Blick ergaenzt er: "Well, Oliver, as you should know we have polygamy in Africa and this is my second wife." Ach so... Die andere Frau wohnt irgendwo anders im Dorf und er verbringt immer zwei Naechte da und dort.

Gastfamilie in Timbo beim Zubereiten des Abendessens: Fonio (eine Art Hirse) mit Sauce

08.01.2013


kehrwoche vs. täglich fegen

Obwohl Dalaba bereits auf 1200 Metern liegt, beginnt der Morgen bei kuehlen Temperaturen mit einem biesitgen Anstieg. Dafuer geht es anschliessend ueberwiegend bergab. Nachdem ich die Haelfte der Strecke zurueckgelegt habe, wird die Strasse zunehmend schlechter. Schlagloecher haeufen sich und sind teilweise sogar breiter als die Strasse selbst. Das aus den Loechern stammende Material wird nicht etwa fachgercht entsorgt - ich bin schliesslich in Africa -, sondern sammelt sich jenseits des Loches an; es bildet sich ein kleiner Huegel. Bei lokaler Haefung solcher Loecher entsteht eine klassische Buckelpiste wie beim Skifahren. Selbst Allradfahrzeuge koennen solche Stellen nur im Schritttempo meistern, waehrend ich mit meinem Fahrrad locker hindurchwedeln kann. Kurz vor Mamou, meinem Tagesziel, ist der Asphalt auf einmal komplett verdampft; eine unsaegliche Staubpiste ersetzt die Strasse. Da Mamou der Verkehrsknoten in Guinea schlechthin ist, brettern entsprechend viele Autos, Lkws und Motorraeder ueber dieses Desaster. Eine gigantische Staubwolke entsteht, die mich kaum noch atmen laesst. Im Zentrum von Mamou ist die Strasse zwar wieder asphaltiert doch nicht gerade breit und parkende Sattelschlepper blockieren eine Seite, so dass ein perfektes africanisches Chaos entsteht. An einigen Stellen sind neben der Strasse explosionsbereite Gasflaschen zu etwa zwei Dritteln in der Erde versenkt. Das hat praktische Gruende. Sollte mal ein Fahrzeug von der Strasse abkommen und verunfallen, so kann es nicht passieren, dass irgendein Schrott tagelang den Verkehr blockiert, sondern es erfolgt eine kontrollierte Sprengung, die das Fahrzeug saeuberlich zerkleinert, so dass es anschliessend weggefegt werden kann. Wer dachte, die Schwaben mit ihrer Kehrwoche seien die Meischter der Gruendlichkeit, der sollte einmal nach Africa reisen. Hier wird taeglich mit einer Leidenschaft und Akribie gefegt wie sonst nirgends auf der Welt.

Keine Hausbar mit einer Selektion an Roseweinen sondern eine guineische Tankstelle

08.01.2013


sozialistische architektur und sixties interieur

Dalaba, auf 1200 metern gelegen, zu Kolonialzeiten ein Zufluchtsort der Franzosen vor der Hitze des Tieflandes, hat den Vefall und Bedeutungsverlust schon hinter sich und ist immer noch von der Kueste und Conakry aus kommend das Tor zum Fouta Djalon. Obwohl nur ein kleiner Ort hatte ich vier Hotels zur Auswahl. Die zwei guenstigsten sind schon voll, so dass ich in einem Hotelkomplex sozialistischer Bauart lande, was eine grossartige Wahl ist.
Das Restaurant und die Rezeption des Hotels sind in einem 50 Meter entfernten Bau untergebracht. Die Gebaeude sind schon aelter und der africanische Verfall nagt an allen Ecken und Kanten. Der Eingangstuer vom Hotelteil, einer Aluausfuehrung aus den 70er Jahren, fehlt das Schloss, stattdessen haengt die Tuerklinke lose in einem Fuenfmarkstueck grossen Loch senkrecht nach unten. Die verklemmte Tuer laesst sich nur unter Gewaltanwendung oeffnen. So werfe ich mich mit der Schulter dagegen und verpasse ihr gleichzeitig einen Fusstritt. Ich stehe in einer imposanten Eingangshalle, in der zwoelf gewaltige Saeulen, die dafuer ausgelegt sind die Kuppel des Petersdoms zu tragen, ein etwas groesseres Oberlicht unterstuetzen. Das Zimmer ist tadellos sauber und imStile der 60er Jahre eingerichtet oder praeziser, die Moebel sind knapp 50 Jahre alt, doch in sehr gutem Zustand. Eine weisse Lederkombination aus Drehstul und Hocker ist zeitlos elegant und die beiden Stehlampen haben sicherlich mal einen Designpreis gewonnen; eine davon besticht durch das damals legendaere Podesign. Diese Liebhaberstuecke erzielten mit Sicherheit Hoechstpreise bei einer Auktion in Europa. Am Kopfende befindet sich ein Teil des Steuerungspultes des verblichenen AKWs Lubmin, doch die Knoepfe sind leider nur Kulisse, ich versuche vergebens eine Kernspaltung in Gang zu setzen.

SIB Hotel du Fouta

Steuerungspult AKW Lubmin

07.01.2013


endlich eine stadt

Haleluja. Endlich ansatzweise eine Stadt. Ich kann es kaum glauben, doch obwohl Labe nur 60.000 Einwohner hat, besitzt es alles, was einen beliebigen Ort zu einer Stadt erhebt: Feinschmeckerrestaurants, Prostituierte und Geldautomaten. Letztere sind nur partiell vorhanden. So verkuendet vor einer Bank eine mehr als drei Meter hohe nicht leuchtende Leuchtreklame, einen Automaten mit allem Service: ATM, 24/7 und mastercard, nur das Visa-Zeichen, mein persoenliches Glueckssymbol, ist schon leicht verblichen. Suchend blicke ich mich um, da kommt mir ein vor der Bank postierter Wachmann zu Hilfe. Der Automat selbst sei noch nicht geliefert worden, man warte noch drauf. Eine Angelegenheit von Jahrzehnten. Inschallah. Ansonsten pulsiert das Leben in Labe. Was fuer ein Unterschied zu Gambia und Senegal. Erst im Nachhinein wird mir bewusst, welch eine Lethargie dort in den so genannten Staedten geherrscht hat. Anders in Guinea. Ueberall wird gehaemmert und geschraubt, gewerkelt und gebaut. Haeuser sehen wieder wie Haeuser aus. Ueberall nette kleine Haeuser mit Wellblechdaechern und Fenstern und Tueren, die diese Bezeichnung verdienen. Menschen draengen sich durch die engen Gassen, waehrend laut knatternde Motorraeder wild hupend durch die Menge preschen. Ich erfreue mich am stetigen Gehupe, was streng genommen total nervt. Aber endlich ist wieder Leben in der Bude.

Von Labe fahre ich weiter nach Pita, wovon ich mit reduziertem Gepaeck einen Abstecher in das kleine Dorf Doucki mache. Dieses liegt am Rande des absolut spektakulaeren Cocolou Canyons auch der Grand Canyon Guineas genannt. Die Bilder geben nur einen wagen Eindruck, wie grandios die Landschaft ist, da es sehr dunstig war.

Cocolou Canyon

mustergueltiges Fula-Dorf

Schlitz-Canyon

Abendstimmung Cocolou Canyon

07.01.2013


auf der strasse nach süden

Eine Etappe, von der ich nicht weiss, wo sie enden wird. Frueh am Morgen breche ich auf. Kurz nach sieben Uhr am Ortsausgang von Mali brennt ein Mann sein Grundstueck ab. Kein Grund zur Sorge sondern landestypisches Verhalten. Die Kilometerangaben sind mal wieder unpraezise, so dass ich Pellalh, einen Ort, den man mir zum Uebernachten empfohlen hatte, verpasse. Ein paar Maenner unter einem grossen schattenspendenden Baum, eroeffnen mir, dass ich bereits sieben Kilometer zu weit bin. Zurueck moechte ich nicht. Kommt da noch etwas, wo ich uebernachten kann? In 16 Kilometern, sei ein Ort namens Sara Kali. Das passt mir gut von der Entfernung, so dass ich weiterradele. Ein paar Unterstaende und ein paar Frauen, die Orangen verkaufen, markieren diesen Ort. Ein Mann ist bereit, mich bei sich zelten zu lassen, aber er ist irgendwie noch beschaeftigt an der Strasse und wartet auf eine Lieferung. Er bittet mich auf einer niedere Bank ohne Rueckenlehne Platz zu nehmen, wo bereits einige Maenner sitzen. Dort verbringe ich nun die naechsten vier Stunden. Waehrend ich dort sitze, bekomme ich vier oder fuenf africanische Tees zu trinken, ansonsten beobachte ich den spaerlichen Verkehr. Alle Viertelstunde kommt etwas angerollt. Ein Motorrad, dessen Schopperartiger Lenker es von den sonst ueblichen Strassenmodellen chinesischer Bauart unterscheidet, erregt mein Interesse. Der Fahrer traegt ein Gewehr vor der Brust und olivgruene Gummistiefel, dazu auf dem Kopf ein Wollmuetze, auf der eine vollverspiegelte Sonnenbrille steckt. Auf dem Sozius hat er zwei grosse Saecke, vermutlich Orangen oder Kartoffeln, geladen auf denen oben drauf drei Huehner festgeklemmt sind. Ein guineischer Raeuber Hotzenplotz. Die seltenen Buschtaxis, faelschlicherweise oft als "sept place" bezeichnet, sind voellig ueberladen. Hoehepunkt ist ein Sandwich a la Fouta Djalon. Ein mindestens 30 Jahre alter Peugeot-Kombi, in dessen Inneres sich 11 oder 12 Personen hineingezwaengt haben, waehrend auf dem Dach etwa zwei Meter hoch Saecke und Taschen festgeschnallt sind, worauf wiederum acht oder neun Maenner sitzen, schaukelt gemaechlich vorueber. Peugeot muss einmal robuste Autos gebaut haben.

Als es schon dunkel ist folge ich meinem Gastgeber zu einem gemauerten und ordentlich verputztem Haus. Dort bekomme ich in einem Vorraum, der auch als Garage fuer sein Motorrad und mein Fahrrad dient, ein breites Bett aus Bambus zugewiesen. Erschoepft, eingestaubt, verschwitzt und dreckig sinke ich darauf nieder. Da er eine von mir angebotene Bezahlung ablehnt, schenke ich jedem seiner fuenf Soehne einen Kuli und einen aufgeblasenen Luftballon. Meine unfreiwillige Gegenleistung besteht in zwei Stunden Babysitting, denn von nun an tollen drei der Jungs mit den Luftballons durchs Zimmer und reden wild auf mich in Fula ein, wobei es sie nicht im geringsten stoert, dass ich kein Wort verstehe und nicht antworten kann. Der Vater hatte mir zwar angeboten, die Tuere zu schliessen, falls ich meine Ruhe haben moechte, aber ich will den Jungs nicht den Spass verderben.

Fromager-Baum

Pannen-Lkw

Africareisender mit modernem Tropenhelm

06.01.2013


ein langer tag, der zur nacht wird - teil 1

Es folgt ein stark gekuerzter Bericht jenes Tages. Zum bevorstehenden Streckenabschnitt von Segou im Senegal nach Mali-Yemberem, einem abgelegenen Bergdorf im Fouta Djalon Gebirge in Guinea, habe ich sehr unterschiedliche Informationen. Wie sich herausstellen wird, ist keine davon ganz richtig. Die Senegalesen empfehlen mir einen direkten Weg, der nicht von Fahrzeugen bewaeltigt werden kann und an dessen Ende man zu Fuss eine steile Klippe hinaufmuesse. Ob ich mein Fahrrad auf dem Kopf tragen koenne? Eine leichte Uebung, doch ich verneine. Es gebe am Rande der Klippe Traeger, die ich gegen Bezahlung mein Fahrrad und das restliche Gepaeck hinauftragen lassen koenne. Warum nicht? Auch verstehe ich mit meinem rudimentaeren Franzoesisch noch etwas von einer langen Leiter, die ich hinaufklettern, und von einem tiefen Abgrund, ueber den ich irgendwie ohne Gelaender balancieren muesse. Aber nur mit dem Fahrrad auf dem Kopf... Wozu bin ich in Africa? wenn nicht zu einem kleinen Abenteuer wie diesem? Ich starte frueh um sieben Uhr kurz nach Beginn der Helligkeit. Die so genannte Strasse zur Grenze existiert nicht, stattdessen habe ich eine schmale Schneise in der Vegetation mit einem Geroellfeld vor mir bei stramm ansteigendem Weg. An Radfahren ist nicht zu denken. Ich wuchte das Fahrrad bergauf, waehrend ich fluche. Viele Stellen sind so steil, dass ich an die Grenze des Moeglichen stosse. Fuer die ersten anderthalb Kilometer brauche ich fast eine Stunde; Laufen waere schneller gewesen... Nach zwoelf Kilometern erreiche ich eine ueber die Strasse spannende Schnur und ein Dorf, das ausschliesslich aus Bambus besteht. Wo ist der Grenzposten? Ein laenglicher Schuppen entpuppt sich als solcher. Die Tuer und alles darin befindliche Mobilar sind komplett aus Bambus, sonst ist der Schuppen leer. Der Beamte in adretter Uniform hat ein Schulheft dabei, das er seiner Tochter entwendet hat und in das er, assistiert von seinem Gehilfen, die Daten meines Passes eintrug. Der gutgelaunte Mann will noch dies und das wissen, und als ich ihm mein naechstes Ziel Bamako in Mali nenne, ruft er aus: "A la guerre!"

Der Chef meiner Unterkunft hatte mir eingeschaerft, dass ich direkt in Lougue einen Nebenweg nehmen muesse und nicht mehr der Hauptstrasse folgen duerfe. Dazu hatte ich mir die zu passierenden Doerfer notiert. Das wird mir so aehnlich von Guineern bestaetigt; ein Junge bringt mich zum Beginn des Weges. Ich muesse nur diesem folgen, immer geradeaus. Dieses "immer geradeaus" kenne ich schon, es gilt immer nur bis zum ersten Abzweig und der ist gewiss. Irgendwann kommt mir ein Motorrad entgegen, keine Gelaendemaschine sondern ein Strassenmodell. Der Fahrer berichtet vor einer Stunde in Mali-Yemberem losgefahren zu sein. Die Strecke sei nicht einfach aber auch mit dem Fahrrad moeglich, hinter einem Dorf muesse ich rechts ab. Ich schoepfe grosse Hoffnung, mein Ziel vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen. Ploetzlich geht es auf einem Geroellfeld steil bergab, ich huepfe wie ein Rehkitz gen Tal. Irgendetwas stimmt mit meinem Fahrrad nicht, es ist nicht mehr korrekt kalibriert. Ich blicke mich um; die linke hintere Gepaecktasche fehlt. Mit Muehe stoppe ich den Boliden im Geroellhang und laufe zu Fuss zurueck. Keine Hundert Meter entfernt liegt die Tasche. Glueck gehabt. Doch die mittlere Sicherung der Halterung hat es weggefetzt und einer der beiden Haupthalter ist stark angeschlagen. Eine Weile geht es nun bergab und bergauf, bis ich endgueltig an den Berg gelange. Schnell wird es fuerchterlich: Geroellhaenge an der Grenze des Machbaren. Alle zehn Meter muss ich eine Pause einlegen, manchmal schon nach fuenf Metern.

Flussdurchquerung

Etappenziel in der Ferne

Zigarettenwerbung

05.01.2013


ein langer tag, der zur nacht wird - teil 2



17:15 Ich gruesse ein zahnlose Oma: "Jarama", sie gruesst zurueck "Jarama". Etwas abseits des Weges sind ein paar kleinere aermlich wirkende Huetten zu erkennen. 17:26 Zigarettenreklame? Zigarettenreklame! Was waere die Welt ohne Zigarettenreklame. Nun liegen oefters Doerfer am Weg, ich erkundige mich, dass ich noch richtig bin. 18:02 Die Strasse endet an einem Tor, dahinter liegt ein Dorf. Eine gated comunity? Was tun? Ein zufaellig vorbeikommender Mann gibt mir eine Erklaerung, die ich nicht verstehe, und oeffnet das Tor fuer mich. Ausserdem weiss er, dass ich auf dem weiteren Weg einen Fluss queren und einen Abzweig nach links nehmen muss. 18:24 Ich kann letztmalig am Tacho ablesen, noch etwa vier Kilometer nach Mali. Es wird dunkel, richtig dunkel. Eine allesverzehrende Schwaerze, nicht einmal der Mond scheint. Ein grandioser Sternenhimmel, den ich ignoriere, bedeckt das Firmament. Als ich ein kleines Waldstueck schiebend durchquere, vernehme ich verdaechtiges Rascheln links hinter mir. Ich drehe mich um, ein schwarzer Schatten schleicht auf den Weg. Eine verdammt grosse Miezekatze. Eine zu grosse Katze. Gruene Augen blitzen mich aus der Dunkelheit an. Deren Funkeln ist mir nicht geheuer und die Katze scheint immer groesser zu werden. Ich stosse einen furchterregenden Schrei aus und klatsche mit der flachen Hand auf den Sattel. Was immer es ist, es springt erschreckt zurueck in den Wald. Ich schiebe weiter nun noch wachsamer.

Nirgendwo ein Lichtschein. Irgendwelche Lichter von Mali muesste ich doch laengst sehen koennen. Stattdessen wildes bergauf und bergab. Ich durchquere radelnd einen kleinen Bach, danach knirscht es gewaltig im Getriebe. Ich kann in der Dunkelheit nichts erkennen und klopfe gegen das Schutzblech. Schotter rieselt hinab, doch das unschoene Knirschen verschwindet fortan nicht mehr. Ein Blick auf meinem Tacho mittels Stirnlampe zeigt mir, dass ich seit jenem Dorf schon mehr als acht Kilometer zureuckgelegt habe. Und weiterhin nichts als Finsternis und Geroell. Mittlerweile fehlt mir die Kraft zum Fluchen. Jeden, der daherkommt, frage ich nach Mali. Immer nur weiter dem Weg folgen. "C'est loin?" "Pas loin" "Mais c'est loin" Irgendwann meint einer, es seien noch zwei Kilometer. Doch angesichts von Geroell und Felsen habe ich das Radeln schon laenger aufgegeben. Ich habe Muehe, noch eine Strasse zu erkennen. Diese scheint immer breiter zu werden, 50 Meter, 100 Meter, ein gewaltiges Geroellfeld. Eine Mondlandschaft doch dieser selbst hat sich versteckt. Bin ich noch richtig? Einzig die mir entgegenfunzelnden Taschenlampen bieten noch Orientierung. Doch wo ist der helle Schein von Mali? Endlos rumpele ich ueber das Geroell. Mir fehlt einfach die Alternative. Da, eine Lichterkette schon fast nah. Unbemerkt habe ich eine KUppe passiert und sehe nun die ersten Lichter meines Ziels. So endet der mit Abstand haerteste Tag meiner Reise.

Fussballspiel in Mali-Yemberem, Durchbiegung der Torlatte gerade noch Fifa-konform

Berg "La Dame de Mali"

Typische Strasse in Mali-Yemberem

05.01.2013


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© by Oliver Schäfer