ami-schlitten und taxis
Zuerst ein Hinweis in eigener Sache und eine kleine Entschuldigung, denn die Bilder des Blogs
stammen alle mit Ausnahme des Berichtes "strandvergleich" von einer aelteren Cuba-Reise. Aufgrund der
Probleme mit dem Internet in Cuba hatte ich die Bilder schon vor Abreise hochgeladen. In den
naechsten Tagen werde ich diese nun durch aktuelle Bilder ersetzen.
Zurueck zur Reise: Meine Fahrradrunde liess ich in Holguin enden, denn dort endet irgendwie auch
el Oriente. Mit dem Guagua (cubanisch für Omnibus) fuhr ich zurueck nach La Habana,
wobei der Fahrer die Klimaanlage auf 12 Grad einstellte. Die Cubaner sassen mit Winterjacken und
Wolldecken (kein Scherz!) im Guagua, waehrend ich in meinen zwei T-Shirts und einer duennen
Regenjacke erbaermlich fror.
La Habana ist aufgrund des Verkehrs fuer das Fahrrad wenig geeignet, so dass ich mich dort
ausnahmslos in den vorrevolutionaeren Ami-Schlitten fortbewegte. Dabei ereignete sich Folgendes:
Der Chevy wummerte die Strasse an den Playas del Este entlang, als er von vier ahnungslosen italienischen
Touristen gestoppt wurde, die ein Taxi benoetigten. Doch wo Taxi draufsteht, ist nicht immer Taxi drin.
Nichts ist in Cuba, wie es scheint. Die alten Ami-Schlitten aus den 50er-Jahren haben zwar alle ein
Schild mit der Aufschrift "Taxi" an der Windschutzscheibe, doch es handelt sich vielmehr um
colectivos, also "Minibusse", die eine feste Fahrstrecke und einen festen Fahrpreis (in
diesem Fall 1 CUC pro Person) haben. Haltestellen gibt es nicht. Aus- und zusteigen kann man an
jedem Ort der Strecke, letzteres nur, sofern es einen freien Platz gibt. Den Italienern haette
auffallen müssen, dass in dem vermeintlichen Taxi schon diverse Leute sassen (außer mir noch
zwei Cubaner), was bei einem richtigen Taxi doch eher unüblich ist, dass dann noch jemand
zusteigen darf. Einer der Italiener sprach mit dem Chauffeur: Sie wollten auf keinen Fall mehr
als 12 CUC für das Taxi zahlen. Der Chauffeur schaute irritiert, strengte sich kurz im Kopfrechnen
an und akzeptierte den Deal. Beim Versuch sicher zu stellen, nicht zuviel zu zahlen, hatten
die Italiener sichergestelt zuviel zu zahlen... Ich schwieg.
Beim Rückweg zum Flughafen trat das Unvermeidliche ein, ich musste ein offizielles Taxi, also
irgendein modernes Auto nehmen. Und so ein modernes Auto ist nicht nur haesslich und eng,
es verursacht auch ein ungutes Gefuehl. Kaum war das Taxi (Citroen oder Peugeot) vor der casa
losgefahren, da blinkte
es schon auf dem mittig über dem Radio befindlichen Display: Atencion! Frenos defectuosos!
Achtung! Bremsen defekt! Was tat der Fahrer? Nichts. Er fuhr einfach weiter, bemerkte wohl
aber nach einer Weile meinen besorgten Blick und betätigte in der Nähe des Lenkrades einen
Schalter, mit dem er die Airbags deaktivierte. Fortan blinkte es: Atencion! Airbags defectuosos!
Sollte es mich beruhigen, dass nun bei kaputten Bremsen, die Airbags deaktiviert worden waren...
Am Flughafen angekommen hatte ich erstmals in meinem Leben Uebergewicht. Mein Koffer wog
knapp 25kg statt der erlaubten 20kg. Die neun riesigen Mangos, die ich auf dem Markt
gekauft hatte, waren verdammt schwer... Ein Teil davon wanderte ist Handgepaeck und
der Cubaner am Schalter drueckte ein Auge zu. Nachdem der offizielle Teil erledigt war,
setzte ich mich auf ein Maeuerchen vor dem Terminal, trank ein eiskaltes Bucanero und mich
ueberkam dieses Es-wird-nie-mehr-wie-es-war-Gefuehl...
aktuelle Ansicht vom Malecon, La Habana
26.05.2015
strandvergleich
Zufaellig und abseits der ueblichen Touristenrouten gelangte ich an einen der faszinierendsten
Orte, die in Cuba aktuell noch verbleiben. Ich suchte einen Strand und fand ein Fischerdorf,
das einer Geisterstadt aus einem amerikanischen Western glich. Die palmgedeckten Daecher dort
sind genauso zottelig wie die herumstreunenden Hunde. Beim genaueren Hinsehen bemerkte ich, dass
die Haeuser keineswegs verlassen sondern zum Grossteil noch bewohnt waren. Hier hat Cuba seinen
morbiden Charme noch nicht verloren. Ein aeusserst
dicker Cubaner (Gewicht ca. 0,2 to) namens Ariel empfing mich freundlich und erklaerte mir, er sei
der Chefaufseher des Ortes und kuemmere sich um die nicht vorhandenen Touristen. Es gebe etwa
4-5 Restaurants im Ort, wir kamen gerade an einem vorbei, dies sei das Beste. Zumindest fiel die
ueberdachte Terrasse des Etablissements dadurch ins Auge, dass sie den Eindruck vermittelte,
jemand habe sich bemueht, dem voelligen Verfall entgegen zu wirken. Ob ich dort nicht etwas
essen wolle. Doch ich wollte noch an einen vier Kilometer entfernten Strand, der noch einsamer
sein sollte. In einem Nebensatz erwaehnte Ariel zum Schluss noch, auch er habe ein Restaurant, es
sei zwar nicht das Beste aber einen Ticken billiger. Ich koenne auf dem Rueckweg gerne dort essen.
Wir kamen auch dort vorbei. Das kleine geduckte Haus war genauso verwittert, verwahrlost und
verfallen wie der Rest des Dorfes, doch davor hatte jemand ein nagelneues modernes Schild mit
der Aufschrift "Restaurant" in den Sand gepflanzt. So einfach kann man in Cuba ein Restaurant
eroeffnen...
Einige Stunden spaeter fand ich mich genau dort in einem Liegestuhl sitzend wieder. Und nun ist ein
kleiner Vergleich zum vermeintlichen all-inclusive Touristenparadies Guardalavaca (deutsch: huete
die Kuh), wo ich nur wenige Tage spaeter vorbeischaute, angebracht. Naehert man sich vom Land her
Guardalavaca, einem der Traumstraende Cubas, so macht es in der Nebensaison einen trostlosen,
deprimierenden, degenerierten und leicht verwahrlosten Eindruck; alles andere als ein Paradies.
Zugegebenermassen eine Frage der Perspektive, denn der Strand ist allemal traumhaft mit nahezu
weissem Sand, der fein wie Puderzucker ist (Pablo waere stolz...). Dort am Strand stappelten sich
327 exakt identische blendend weisse Plastikliegestuehle. Meine Liegestuhl, eher ein Sitzstuhl,
bei Ariels Restaurantschild dagegen war ein Unikat, zusammengeschustert aus diversen Planken,
mit denen sich Schiffbruechige zu Kolonialzeiten mit letzter Kraft an den Strand gerettet hatten,
und anderem Treibholz sowie zusammengehalten von 326 rostigen Naegeln, von denen mich einer
fortwaehrend piekste. Ein Viertel seines Startkapitals hatte Ariel in das Schild investiert,
ein Viertel in den Aufbau seines Koerpers und die restliche Haelfte in eine fast zwei Meter hohe
Box, die den Strand mit cubanischen Rhythmen beschallte. Herrlich. Viva la revolucion!
Fischerdorf ohne Touristen
Touristenstrand ohne Touristen
22.05.2015
gladiolen
Nachdem ich drei Tage im kleinen Fischerdorf Cajobabo versackt war, lockte mich
La Farola (woertlich: der Leuchtturm). Was in den Alpen die Strecke ueber den
St. Gotthardpass ist, das ist in Cuba La Farola: die beruehmteste Passstrasse
des Landes, auch beruechtigt wegen vieler schwerer Unfaelle. Sie fuehrt von Cajobabo
an der Suedkueste Cubas und der trockensten Zone des Landes nach Baracoa an die Nordkueste
und feuchteste Zone Cubas einmal quer durch die Berge der Sierra Maestra. Eine
Herausforderung mit dem Fahrrad. Nachdem ich zuvor viele Warnungen und Hinweise bezueglich
der Anstrengungen und Schwierigkeiten gehoert hatte, wurde es fast ein Kinderspiel.
Am zweiten Tag meines Aufenthaltes in Baracoa klopfte die Dame der casa an meine Zimmertuer.
Es sei Besuch fuer mich da... Besuch? Fuer mich? Ich kenne niemanden in Baracoa... Wer konnte
das sein? Hier endete nun eine ganz spezielle Geschichte, die vor knapp fuenf Jahren in Cayo
Güin, einem Dorf 15 Kilometer noerdlich von Baracoa, begonnen hatte. Dort hatte ich Cachita,
eine aeltere Dame, Mutter und Oma einer Familie aus Habana, die ich sehr gut kenne, besucht. Sie
bewohnt dort ein einfaches aber geraeumiges Holzhaus, vor dem sich einer der praechtigsten
Blumengaerten Cubas befindet. Beim Abschied damals aeusserte sie einen Wunsch an mich. Besonders
moege sie Gladiolen, aber in Cuba gebe es nur weisse Gladiolen und sie haette gerne Gladiolen
in allen Farben. Ein bescheidener Wunsch in einem Land, in dem es quasi an allem mangelt. Ich
versprach bei meinem naechsten Besuch entsprechende Gladiolensamen mitzubringen. Nur wusste ich
nicht so recht, wann ich nach Cuba zurueckkehren wuerde.
Doch dann bot sich eine Gelegenheit, die Aufgabe zu delegieren. Meike Winnemuth, eine
Journalistin (u. a. fuer die Sueddeutsche Zeitung), hatte bei Guenther Jauch eine halbe
Millionen gewonnen und nahm dies zum Anlass, eine Art Weltreis (12 Staedte in 12 Monaten) zu
unternehmen. Sie forderte ihre Leser auf, ihr fuer die jeweiligen Ziele Aufgaben zu stellen.
Eine der bereisten Staedte war Habana, so dass ich sie beauftragte Gladiolensamen bei Cachitas
Tochter in Habana abzuliefern. Leider klappte das nicht. Meike war vor ihrem Aufenthalt in
Cuba in Addis Abeba und zugegebenermassen ist es keine einfache Angelegenheit, dort Gladiolensamen
aufzutreiben. Die Aufgabe verblieb also bei mir. Cachita hatte mitbekomen, dass ich in Baracoa sein,
und sich trotz ihrer 82 Jahre und der cubanischen Transportprobleme von Cayo Güin aus auf den
Weg gemacht, um mich in Baracoa zu treffen. Ueberraschung und Freude waren gleichermassen gross.
Pforte zu Cachitas Haus in Cayo Güin
Blick über Baracoa - altes Bild bleibt, ist ja noch aktuell
12.05.2015
guantanamo
Die phantastische Suedkuestenstrass endet irgendwann in Santiago, der zweitgroessten Stadt
der Insel. Ist La Habana das Herz Cubas, so ist Santiago die Seele Cubas. es ist heisser,
wilder, dreckiger, rauer, verruchter und verrauchter als die Hauptstadt im Westen der Insel.
Mir gefaellt es, doch die schmalen und steilen Gassen der Altstadt sind eine Herausforderung.
Zu Bussen umfunktionierte LKWs quaelen sich bergauf und stossen dabei mitten ins Gesicht
unschuldiger Fussgaenger monstroese pechschwarze Abgaswolken aus. Diese vermengen sich
mit den blaeulichen Abgaswolken der vielen Motorraeder und der allgegenwaertigen Ladas zu
gewaltigen Cumuluswolken, die sich in den engen Gassen akkumulieren. Ein Eldorado fuer
Motorisierungsfanatiker und Abgasfetischisten.
Guantanamo ist nicht gleich GUANTANAMO. Nur wenige Nichtcubaner verbringen freiwillig eine
Nacht in Guantanamo. Doch ich dachte mir, warum nicht mal in Guantanamo vorbeischauen...
Tags darauf landete ich bei Fidel, der ein paar Fragen zu meinem Aufenthalt in Guantanamo
hatte. Klingt logisch. Doch alles ganz harmlos. Bei Guantanamo handelt es sich primaer
um die Provinzhauptstadt der gleichnamigen Provinz im Osten Cubas. Der durchschnittliche
Tourist lernt hoechstens den Busbahnhof kennen, da es aus touristischer Sicht nichts
Spektakulaeres gibt. Das andere GUANTANAMO ist nichts als ein laestiger Furunkel in
eben jener cubanischen Provinz. Tags darauf kehrte ich an die Suedkueste zurueck, wo ich
in der casa von Fidel (So heisst der Eigentuemer) im winzigen Dorf Tortuguillas ein Dach
ueber dem Kopf fand. Das traumhaft gelegene Haus auf einem Fels direkt am Meer mit
mehreren schattigen Terrassen und einem ausgetrockneten Pool in Badewannengroesse ist
exklusiv Individualtouristen vorbehalten. Aktuell wird Cuba von einer nie dagewesenen
Hitzewelle geplagt. Es ist noch heisser als im cubanischen Hochsommer (Juli und August),
so dass selbst die hitzegewohnten Cubaner stoehnen...
Kathedrale Santiago de Cuba
Strassenszene Guantanamo - es handelt sich um die cubanische Stadt
30.04.2015
strasse der krebse, geier und schweine
Hinweis in eigener Sache: Dieser Bericht musste leider mit einigen Tagen Verspaetung
erscheinen, da bei der letzten ETECSA (cubanische Telefongesellschaft mit Internetzugang)
eine Schild mit dem Hinweis "cerrado por fumigacion" (Wegen Ausraeucherung
geschlossen) hing. Die Ausraeucherung ist eine cubanische Institution wie die
Zigarren, der Son und der Rum.
Nachdem ich einen Abstecher nach Cabo Cruz, den suedwestlichsten Punkt Cubas, gemacht hatte,
querte ich die in dieser Gegend nicht mehr sehr hohen Berge der Sierra Maestra und gelangte
an die in dieser Gegend aeusserst duenn besiedelte Suedkueste Cubas. Die Landschaft ist dort von
wilder, grandioser, verwegener Schoenheit. Waehrend sich die hohen Berge der Sierra
Maestra ins Meer stuerzen, frisst die allmaechtige Brandung mit grossem Appetit die
spektakulaere Kuestenstrasse. Die teils nicht mehr vorhandene Strasse kann durchgehend von
Marea del Portillo nach Santiago nur mit dem Fahrrad oder einem hochachsigen Gelaendewagen
befahren werden. Genau das richtige fuer mich. Statt von Autos, Bussen oder LKWs wird die
Strasse von Scharen von Mega-Monster-Krebsen bevoelkert, die diese queren und die teils fast
senkrechten Felswaende emporkrabbeln. Sobald ich mich mit dem Fahrrad naehere, beginnen die
Krebse wild herumzuposen statt aus dem Weg zu laufen, sodass ich Slalom fahren muss. Einige
besonders maechtige Exemplare erdreisten sich sogar, dass Fahrrad zu attakieren,
wobei sich ein Krebs fast in den Speichen des Vorderrades verheddert haette. Die leicht
unheimliche Szenerie praegen auch Geier, die verendete Krabben vertilgen und sich ungern
bei ihrem Festschmaus stoeren lassen, sodass sie, wenn ich mich naehere, erst im letzten
Moment auffliegen, um sodann in provokanter Naehe meines Kopfes vorueberzugleiten. Ab
und zu traben Schweine ueber die Strasse, die genuesslich einen Krebs knuspern.
Im Verlaufe des ersten Tages gelange ich an einen eingestuerzten Tunnel. Da ich das andere
Ende nicht sehen kann, verzichte ich darauf, hineinzufahren und nehme stattdessen die um
den Berg herumfuehrende Stein- und Schotterpiste. Kurz vor einer einstuerzenden und gesperrten
Bruecke steht ein Umleitungsschild. Die Strasse fuehrt in grossem Bogen tief in ein Tal hinab
und steil auf der anderen Seite wieder hinauf. Bei dieser Hitze ist solch ein unnoetiger Umweg
keine Ueberlegung wert. Vorsichtig naehere ich mich dem imposant fragilen Bauwerk. Da ich in
diesem Fall das andere Ende sehen kann, entscheide ich, die einstuerzende Bruecke zu queren
(Die hessische Ingenieurkammer moege mir diese Jugendsuende verzeihen). Da ihr diese Zeilen
aus meiner Feder lesen koennt, eruebrigen sich weitergehende Ausfuehrungen...
Gut getarnter Mega-Monster-Krebs
Einsame Südküstenstrasse zwischen Marea del Portillo und Chivirico
27.04.2015
zwei tage warschau zwischendurch
Kaum hatte ich in Bayamo die Hauptstrasse verlassen, begann die Reise richtig. Ich strandete in
Bartolome Maso, einem Dorf am Fusse der Sierra Maestra, dem Gebirgszug im Osten Cubas.
Nachdem ich zwei Runden durch den Ort gedreht und keinen Hinweis auf eine Unterkunft gefunden
hatte, erkundigte ich mich nach einer casa particular. Ich wurde hierhin und dorthin geschickt,
bis mir ein Mann erklaerte, er koenne mich nicht beherbergen, da er nur eine Lizenz fuer Cubaner
habe (Es gibt in Cuba zwei Typen von casas: "en divisa", diese werden mit der Touristenwaehrung
CUC bezahlt und sind allen zugaenglich und "en moneda nacional", diese werden in der eigentlichen
cubanischen Waehrung dem Peso bezahlt sind aber Cubanern vorbehalten. Auslaender dort zu
beherbergen, ist illegal.) Also suchte ich weiter herum. Schon am anderen Ende des Ortes erklaerte
sich ein Cubaner bereit, mich zu einer casa zu begleiten. Kurz bevor wir die gleiche erreichten,
erklaerte ich ihm, dass ich dort nicht uebernachten duerfe. Er ueberlegte kurz und empfahl mir
so aus dem Blauen, eine entgegenkommende Dame anzusprechen. Seguro? Preguntale! Es ist nicht so,
dass ich ueblicherweise auf der Strasse wildfremde Damen anspreche, aber ich tat wie mir geheissen.
Spontan bot sie mir an, bei ihr in der Wohnung zu uebernachten, wandte aber im gleichen Satz ein,
dass der Zustand der Wohnung nicht gut genug sei, um mich aufzunehmen. Ich liess das alles
unkommentiert. Ein gewisser Pedro vermiete aber ein schoenes Zimmer. Dieser war jedoch nicht zuhause
und auch sonst unauffindbar, sodass die Dame meinte: Ach was, komm mit zu mir nach Hause.
So landete ich bei Varsovia (deutsch: Warschau, hat zu DDR-Zeiten einige Jahre in Budapest gelebt.)
und ihrer Familie im 5. Stock eines Plattenbaus. Da mein Fahrrad nicht in den cubanischen
Lastenaufzug (Bastkoerbchen mit Nylonseil) passte, musste ich es fuenf Stockwerke eine schwindelige
Treppe mit einem schwindsuechtigen Gelaender hinaufbugsieren. Varsovias Sohn wurde zu seiner Oma
ausquartiert und ich bekam sein Zimmer.
Von Maso aus unternahm ich einen Ausflug nach Santo Domingo, einem Dorf in einem Tal der Sierra
Maestra. Der Weg dorthin gleicht einer Achterbahnfahrt und die Strecke ist beruehmt beruechtigt
wegen ihrer exorbitanten Steilheit mit Steigungen von angeblich 45%. Auch ohne Gepaeck mit dem
Fahrrad eine Herausforderung...
Plattenbau in Bartole Maso, für zwei Tage meine Heimat
Santo Domingo in der Sierra Maestra am Fusse des Piquo Turquino, des höchsten Berges Cubas
20.04.2015
versuch einer visaverlaengerung
Gestern habe ich trotz anhaltendem Gegenwind endlich El Oriente, den famosen Osten Cubas
erreicht. Kurz zuvor in Las Tunas ereignete sich Folgendes: Da mein urspruengliches Visum nur fuer
30 Tage gueltig ist, dieses gemaess Reisefuehrer nur in den Provinzhauptstaedten verlaengert
werden kann und ich demnaechst ueber das Land tingeln werde, will ich das in Las Tunas,
Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, in Angriff nehmen. Der Mann aus der casa und der Reisefuehrer
liefern um einen Kilometer abweichende Beschreibungen bezueglich der Lage der inmigracion.
Naja, vor Ort wird man es besser wissen... Im Nachhinein werde ich feststellen, dass ich schon fast
am Ziel, eine Strasse zu frueh links abtgebogen bin. So finde ich den Bahnhof aber nicht die davor
wartenden Kutschen, wo die Behoerde gegenueber sein soll. Auf Nachfrage erfahre ich, dass die
inmigracion in der anderen Richtung liegt, ungefaehr dort, wo sie mein Reisefuehrer
hingepflanzt hatte. Ich bekomme eine grobe Beschreibung und den Hinweis, nochmals nachzufragen, wenn
ich eine gewisse Ampel erreicht habe. Dort frage ich einen in einer Seitenstrasse wartenden
Kutscher. Diesert deutet die Hauptstrasse entlang mit den Worten a los pinos (frei uebersetzt:
da in der Pampa). Hmmhh. Klingt mir etwas unpraezise, sodass ich 200 Meter weiter erneut nachfrage.
Zwei Damen schicken mich dorthin zurueck, wo ich hergekommen bin...
Ein blaues Gebaeude, jedoch gaenzlich ohne Hinweisschilder, direkt dort gegenuber, wo ich den
nun nicht mehr vorhandenen Kutscher gefragt hatte, war mir schon beim ersten Anblick verdaechtig
vorgekommen. Als ich dieses erreiche, haelt ein Motorrad-Taxi und eine Cubanerin steuert auf den
Eingang zu. Ich blicke ihr in die Augen: inmigracion? inmigracion! Zwei auf einmal koennen
sich nicht irren und ausserdem springen zwei Uniformierte vor dem Gebaeude herum. Der Raum ist fuer
eine Behoerde skurril: Alle Waende sind weiss getuencht und sonst verwaist. Keine Schilder, keine
keine Bilder, keine Information, nada. Mittig wird der Raum durch einen komplett leeren Ladetresen
geteilt. Diesseits des Tresens ist es genauso leer, ausser dass ein Dutzend Cubaner am Tresen
herumhaengen. Jenseits an der Rueckseite des Raumes steht ein wandfuellendes Regal, dessen Faecher
mehrheitlich auch leer sind. Eine fast schon unheimliche Leere beherrscht diesen Raum. Einzig in
wenigen Regalfaechern stehen Schuhe. Ein cubanisches Schuhgeschaeft? Wohl nicht ganz, eher so etwas
wie Schuhe auf Rezept... Einer der Uniformierten erklaert uns, wo das Gesuchte zu finden sei, und
fuegt hinzu, man duerfe nicht nach inmigracion sondern solle nach carnet de identidad
(Personalausweis: mag fuer die Cubanerin richtig sein, aber fuer mich?) fragen. Die Wegbeschreibung
fuehrt mich zurueck zum Ausgangspunkt, nur auf die andere Seite des Bahnhofs. Ein unscheinbares
kleines Gebaeude ohne jegliche Hinweisschilder entpuppt sich als die gesuchte Behoerde.
Doch am Ziel bin ich auch dort nicht. Die zustaendige Dame erklaert mir, dass eine Verlaengerung
erst kurz vor Ablauf der ersten 30 Tage moeglich sei. Dass ich mit dem Fahrrad unterwegs bin und
dann eventuell weit entfernt von irgendwelchen Provinzhauptstaedten sei, kontert sie mit dem
Hinweis, ich koenne das in jedem municipio (Landkreis) erledigen. Allerdings heisst die
zustaendige Behoerde weder inmigracion noch carnet de identidad sondern
unidad de tramite (Abteilung fuer Formalitaeten).
Provinz Granma, hier beginnt der Osten Cubas
Blick auf die Berge der Sierra Maestra, die den Osten Cubas dominieren
08.04.2015
gen osten
Schon im Flieger war mir eingefallen, dass dass ich das Flickzeug vergessen habe. Kein Wunder,
irgendwie war die Zeit zu knapp fuer alles gewesen. Ich hatte auf eine Packliste verzichtet
und alles wahllos in meine Fahrradtaschen geschmissen. Doch in Cuba hat man irgenwie immer
Glueck: Kurz vor dem Verlassen von Habana traf ein Deutscher ein, der gerade eine Radtour
beendet hatte und mir freundlicherweise sein Flickzeug ueberliess. So konnte es losgehen.
Da ich fahrradreisetechnisch insbesondere an El Oriente, dem faszinierenden Osten Cubas,
interessiert bin, und dieser fast Tausend Kilometer von Habana entfernt ist, habe ich erst
einmal ein Guagua (cubanisch fuer Bus) nach Sancti Spiritus genommen. Warum Sancti Spiritus?
Klingt einfach gut und bei meiner ersten Cuba-Reise war dies der oestlichste Ort, den ich
erreichte, sodass ich dort den Faden wiederaufnehmen kann.
Von Sancti Spiritu aus nehme ich die carretera central, die Hauptstasse von Habana
nach Santiago de Cuba, die einmal quer mitten durch Cuba verlaeuft. Leider endet die
Autopista (Autobahn, Fahrraeder duerfen diese in Cuba offiziell benutzen) mit drei
Fahrspuren in jeder Richtung in der Naehe von Sancti Spiritu und es verbleibt eine
schmale Landstrasse mit zu viel Verkehr. Immerhin werden Radfahrer als vollwertig
Verkehrsteilnehmer akzeptiert und LKW-Fahrer verhalten sich sehr zivilisiert. Da bin ich
von Africa anderes gewohnt. Ein Zwischenfall ereignet sich auf meinen ersten drei Radetappen.
Da bin ich nun endlich endgueltig von zu Hause ausgezogen und dann dann das: Am fruehen
Morgen bin ich kurz davor loszuradeln, da spricht die wirklich nette Dame der casa zu mir:
Es ist noch kuehl am Morgen, zieh dir noch etwas drueber. Que cosa... So! Und nun muss ich
noch eine Beschwerde loswerden. Bei meinem ersten Rundgang durch Camagüey, der drittgroessten
Stadt Cubas, stehe ich ploetzlich mitten auf einer belebten Shopping-Meile, auf der Cubaner
mit prall gefuellten Tueten flanieren, und spaeter entdecke ich auch noch ein Fitness-Studio.
Und das alles in Meinem Cuba...
carretera central
Shopping-Meile in Camagüey
04.04.2015
zuhause en la habana
Der Zoll am Flughafen in Habana zeigt wenig Interesse an meinem gewaltigen Karton. Nachdem ich die
Frage ¿bicicleta? bejaht habe, darf ich ohne jegliche Kontrolle passieren. Draussen empfangen
mich die feuchte Schwuele der Tropen und DDR-Geruch. Die modernen Taxis, die mit dem gewaltigen Karton
sowieso Probleme bekommen haetten, lasse ich links stehen und bewege mich ins schummerige Abseits
des Terminals, wo ein dschungelgruener Ami-Schlitten aus den 50er Jahren auf Fahrgaeste wartet. Seit
kurzem duerfen solche Privatautos als Taxi fungieren, wobei der Fahrpreis Verhandlungssache ist. So
ein Klassiker ist genau das Richtige fuer mich und der Fahrradkarton passt problemlos quer vor die
Rueckbank. Dass die kecke Ente auf der gewaltigen Motorhaube einen Schal traegt, erscheint mir
angesichts von 25 Grad um 10 Uhr abends etwas uebertrieben.
Nach Habana zurueckzukehren ist ein bisschen wie nach Hause kommen. Bei meiner Gastfamilie in der
casa particular , die ich seit knapp zehn Jahren kenne, muss ich mir die vorwurfsvolle
Frage gefallen lassen, warum ich solch eine Ewigkeit nicht da gewesen sei. Dass ich nicht mehr mit
meiner cubanischen Freundin zusammmen bin und dass der Flug mehr als elf Stunden dauert, lassen sie
nicht gelten. Ausserdem erwaehnen einige, ich sei dicker geworden. Wie ich das zu interpretieren
habe, ist mir noch nicht ganz klar... Gespraechsthema Nummer eins in der casa ist in den ersten
Tagen ein australiches Paar, dass solch eine Duftmarke gesetzt hat, wie es nur wenigen gelingt.
Ana Mirima, die Eigentuemerin, und Mari, ihre Hilfe, echauffierten sich taeglich auf's Neue:
que peste! Die beiden aelterne und inkontinenten Ladies hatten ihre Pampers im Plastikeimer im
Bad entsorgt, wo sie sie eine knappe Woche gaeren liessen. Bei den hiesigen Temperaturen eine
feine Sache. Auch sonst nahmen sie es mit der Hygiene nicht so genau. In ihrer Zeit in der
casa sollen sie nicht ein einziges Mal geduscht haben, beim Waschen ihrer Waesche weigerten sie
sch Seife oder Waschpulver zu verwenden und auf den sonst nach drei Tagen ueblichen Wechsel der
Bettwaesche verzichteten sie gaenzlich. No mas detalles...
Da ich bisher mit dem Besuchen von Freunden und Familie beschaeftigt war, kann ich Euch leider
noch nichts touristisches berichten. Aber in den vier Jahren, die ich nicht in Cuba war, hat
sich einiges veraendert, doch manches ist so unverwuestlich unveraenderbar wir die amerikanischen
Schlitten. So beschwerte sich eine Cubanerin in der Schlange vor der CADECA (Wechselstube): se
levanta para hacer cola! Man steht auf, um Schlange zu stehen...
Blick ueber die Daecher Centro Habanas, das Capitol ohne Geruest - altes Bild bleibt, da das Capitol momentan
einegerüstet ist
Callejon de Hamel - altes Bild bleibt, da die Farben dort mittlerweile etwas verblasst sind
28.03.2015
vorbereitungen
Heute habe ich einen gewaltigen Pack- und Verpackungsmarathon hingelegt. Es ist immer wieder faszinierend wie mein Fahrrad
auf immer neue Weise nicht wirklich in den immer gleichen Karton passt. Freudig überrascht davon, dass der Karton nicht
mehr zu kurz war, musste ich beim Versuch des Schließens feststellen, dass der Gepäckträger oben hinausschaute. So
afrikanisch-chinesische Gepäckträger bekommen scheinbar in muffigen deutschen Kellern einen Wachstumsschub...
Was wird mich in Cuba abgesehen von Palmen, Oldtimern und Mojitos so erwarten?
Nun wir befinden uns im 56. Jahr des Triumphes der Revolution, das heißt diese ist schon etwas in die Jahre gekommen genauso
wie einige ihrer Protagonisten. Das führt zu der beliebten Frage: Was macht Fidel Castro? Lebt er noch? Letzteres
wird sich nicht abschließend in diesem Reiseblog beantworten lassen, aber ich vermute mal, er befindet sich in einem ähnlichen
Zustand wie Schrödingers Katze...
Schrödingers Katze oder doch nur ein regulärer Stubentiger...
noch 1 tag bis abflug
on the road again
Ich werde mal wieder eine kleine Reise unternehmen und möchte euch auf diesem Wege daran teilhaben lassen.
Das Ziel Cuba ist für mich altbekannt, doch der Weg wird ein neuer sein. Mein Fahrrad, unverzichtbares Gefährt und
und treuer Gefährte in Westafrica, wird mich diesmal auf der Insel begleiten und unterstützen.
Da ich mich zwischenzeitlich weder mit HTML noch mit PHP sondern nur mit RSTAB auseinandergesetzt habe, wird dieser
Reiseblog in seiner unverändert amateurhaften Qualität fortgeführt. ¿Como no? Wer an Cuba, Reisen, Geschichten
und Abenteuern interessiert ist, dem möchte ich meinen kleinen, handgestrickten und liebevoll gestalteten Reiseblog
ans Herz legen. Wer jedoch irgendeinen Webstandard oder 4.0 erwartet, der sollte lieber weiterklicken. Das Netz
ist voll von Letzterem.
PS: Sorry für die Anglizismen!
noch 5 tage bis abflug
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